Hans Martins Bastelseiten

Digitale Grundschaltungen in Röhren-Technik

Digitaltechnik und Röhren sind kein Widerspruch. Die ersten Computer funktionierten so. Sie hatten oft viele 1000 Röhren, die Bits und Bytes verwalteten. Hier stelle ich eine Auswahl an digitalen Grundschaltungen vor, die in einem Computer vorkommen: Taktgeneratoren, Binärzähler, Speicherbausteine. Die meisten davon habe ich nur im fliegenden Aufbau realisiert, um das Schaltungsprinzip zu demonstrieren. Das Prinzip ist nicht allzu kompliziert, und man kann alles beliebig kombinieren. Wenn Sie furchtbar viele Röhren in der Bastelkiste liegen haben und ratlos sind, was Sie damit anfangen sollen, weil Sie bereits Dutzende von Röhrenradios und Röhrenverstärkern besitzen, dann ist das hier vielleicht das Richtige für Sie. Jedenfalls wünsche ich viel Spaß beim Stöbern.

Ein praktischer Tipp beim Basteln: Digitalschaltungen mit Röhren benötigen neben der Anodenspannung in vielen Fällen noch eine zweite, negative Spannungsquelle zwischen −20 und −60 Volt als Gittervorspannung. Die muss allerdings nur wenige mA liefern können.

Letzte Änderung: 28.12.2020

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Rechteckoszillator / Multivibrator mit Heptode

Die ECH 81 ist eine Heptode mit zusätzlicher Triode. In Röhrenradios wurde sie wie in diesem Beispiel zur Erzeugung der Zwischenfrequenz verwendet. Die Triode arbeitet dann als Oszillator, die Heptode erledigt die Mischung mit dem Antennensignal. Die Heptode eignet sich auch zum Aufbau eines Transitron-Miller-Oszillators, der Rechteckimpulse mit hoher Flankensteilheit (3-5 µs Anstiegs- /Abfallzeit) erzeugt. Die verschiedenen Gitter der Heptode ziehen je nach ihrer momentanen Spannung sprunghaft mehr oder weniger große Anteile des Kathodenstroms an sich. Die beiden 4,7-nF-Kondensatoren werden periodisch ge- und entladen. Die Frequenz läßt sich durch Verändern der Kondensatoren in weiten Bereichen anpassen. Ausgangsamplitude: 130 Vss bei Ub = 160 V.

Links: Der Heptoden-Multivibrator erzeugt Rechteckimpulse, die ein dynamisches Flipflop aus zwei Trioden triggern. Dies ist der Grundbaustein für digitale Zähler und Schieberegister. Ich habe hierfür eine Doppeltriode ECC 85 oder wahlweise eine PCC 88 verwendet. Die beiden Trioden und ihre Beschaltung soll möglichst symmetrisch ausgelegt sein, damit das Flipflop nicht in einem der beiden Zustände festhängt.
Die Impulsfrequenz an den Anoden der Trioden ist halb so groß wie das Triggersignal aus dem des Multivibrator.

Ein Flipflop mit eingebauter Statusanzeige: Auch hier sind wieder zwei Trioden im Spiel. Doch ist eine dieser Trioden Teil eines magischen Fächers, einer EM 80. Der Zustand der Flipflops ist am Leuchtfächer unmittelbar und ohne Oszilloskop zu erkennen.

Der genaue Wert der Anodenpotentiale hängt von den Röhren und den Widerstandswerten ab. Das alles funktioniert in einem weiten Bereich. Auch von der Betriebsspannung. Das Flipflop rechts braucht eine Betriebsspannung Ub oberhalb von 140 V, damit es korrekt schaltet (siehe Tabelle).


Wie das dynamische Flipflop funktioniert: Eine der beiden Trioden hat also an ihrer Anode ein hohes Potential, die andere ein niedriges. Das entspricht den logischen Zuständen 1 und 0. Die Flanke eines Spannungsimpulses auf der Taktleitung schaltet den Zustand um.

Beim dynamischen Flipflop wird dieser Impuls durch die Kombination von Diode, Kondensator, und Widerstand vor dem Gitter gebildet. Wenn eine Impulsfolge von der Taktleitung gelangt (siehe oberes Oszillogramm im Bild rechts), dann verhält sich die Spannung an der Kathode der Halbleiterdioden in einer solchen Schaltung wie im unteren Oszillogramm: Wenn die entsprechende Triode den Zustand "1" hat und die Anodenspannung folglich hoch ist, dann liegt die hohe Anodenspannung über den Widerstand an der Kathode der Diode. Diese ist dann erst mal gesperrt: kein Impuls dringt von der Taktleitung zum Gitter der Triode vor. Ist der Zustand der Triode jedoch "0", dann ist die Anodenspannung klein und die sperrende Vorspannung der Diode fehlt. Ein eintreffender negativer Taktimpuls macht sie leitend. Dadurch wird auch das Gitter negativ. Die Triode sperrt dann. Die Anodenspannung steigt rasch an, so dass der Zustand logisch "1" ist. Und so weiter.

Im Digitalzähler sowie beim Schieberegister kaskadiert man mehrere Flipflops, und zwar auf unterschiedliche Weise. Wie das genau gemacht wird, zeigt das folgende Video.

Digitalzähler und Schieberegister aus Trioden und Magischen Augen bauen, in 5 Schritten!

Das Video: Als die Röhren zählen lernten

Viel Spaß beim anschauen!

Links: ein improvisierter 2-Bit-Zähler. Die EM 80 ganz links erzeugt ein Impulssignal von 1 Hz. Hiermit wird das Flipflop #1, bestehend aus einer weiteren EM 80 sowie einer EBC 91 angesteuert. Die Trioden dieser Röhren haben hinreichend ähnliche Eigenschaften, dass dies funktioniert. Von der Anode der EBC 91 wird dann das Impulssignal das Flipflop #2 abgegriffen, das aus einer Doppeltriode vom Typ ECC 85 besteht. Die EM 84 daneben zeigt den Status dieses zweiten Flipflops an. Man beachte, dass vor allem die Anodenwiderstände der ECC 85 kleiner sind als jene der EM 80 und der EBC 91, denn die ECC 85 benötigt unter den gegebenen Bedingungen etwas mehr Strom.

Rechts: ein 2-Bit-Schieberegister: hier werden aus den vorigen Röhren wieder zwei Flipflops aufgebaut. Der Unterschied zum Zähler besteht darin, dass nun beide Flipflops synchron getaktet werde. Hier geschieht dies mit dem Taster "CLK" von Hand. Dafür sind die Vorbereitungsengänge (d.h. die Widerstandsverbindungen zwischen den Halbleiterdioden vor den Röhrengittern und den Anoden nun zwischen beiden Flipflops kaskadiert. Mit dem Schalter "SET" wird der Vorbereitungseingang des ersten Flipflops auf "1" oder "0" gelegt. Wird nun "CLK" betätigt, dann wird dieser Zustand vom ersten Flipflop übernommen. Das zweite Flipflop übernimmt dagegen den bisherigen Zustand von Nr. 1. Die Triode der EM 84 ganz links dient als Inverter für den Zustand des "SET"-Schalters. Das inverse Signal wird stets benötigt, um den inversen Vorbereitungseingang des ersten Flipflops korrekt anzusteuern.
Nichts spricht dagegen, hier noch weitere Flipflops anzufügen, um den Speicherumfang zu erweitern. Es gibt jedoch für den Bastler eine praktische Grenze: ein 256-Byte-Speicher dieser Bauweise bräuchte für seine 2048 Doppeltrioden allein 12 kW Heizleistung. Das reicht im kältesten Winter für ein Einfamilienhaus!

Positiv flankengetriggertes Monoflop

Wenn eine positive Impulsflanke von mindestens 3 Volt an einen der Eingänge A oder B gelegt wird (siehe Schaltbild, rechts oben), dann schaltet der Ausgang für bestimmten Zeitraum zwischen 0,1 ms bis wenige Sekunden vom Ruhepegel (ca. 40 V) auf etwa 110 V: Das Monoflop ist daher für Zeitschalter und zur Impulsformung und Impulsverzögerung geeignet.

Die Schaltung hat zwei verschiedene Eingänge A und B. Über Eingang B kann das Monoplop vorzeitig zurückgesetzt werden, über Eingang A dagegen nicht. Folgt auf die positive Impulsflanke eine negative, dann hat das an Eingang A keine Konsequenzen. Das Monoplop hält seinen Ausgang bis zum Ablauf der vorgesehenen Zeitspanne auf dem hohen Spannungsniveau. Dagegen führt die negative Impulsflanke an Eingang B dazu, dass der Ausgang des Monoflops augenblicklich zum niedrigen Niveau zurückkehrt.

Die Schaltdauer des Monoflops wird durch den Kondensator C zusammen mit dem Gitterwiderstand der zweiten Triode bestimmt. Bei C = 0,1 µF und R = 1 MΩ Ableitwiderstand erhält man etwa 0,16 Sekunden. Die Schaltzeit konnte ich durch Anpassen von C zwischen 100 µs (C = 47 pF) und etwa 1 s (C = 680 nF) einstellen. Das ist in dem unteren Datenplot (Schaltzeit gegen Gitterkondensator) gezeigt.

Noch eine Bemerkung: Verwendet man die ECC 82 statt der ECC 85, dann sollte der Fußpunkt des 820 k-Widerstands im Eingangskreis besser an Masse statt an den Punkt G gelegt werden, sonst neigt das Monoflop zum selbständigen oszillieren.

Man braucht eine positive Anodenspannung UA von ca. 130 bis 140 V, und eine halb so hohe, negative Quelle für die Gittervorspannung UV von −65 Volt, damit die Röhren auch sperren können. Die Widerstände R1 und R2 sollten ebenfalls im Verhältnis 2 zu 1 stehen.

Etwas für's Auge:

Ein dekoratives Lauflicht

mit Leistungspentoden. Diese Schaltung ist auch als Ring-Oszillator bekannt. Die Pentoden schalten reihum für etwa 1 Sekunde die Glühbirnen im Anodenkreis ein- und aus. Links oben der Schaltplan. Im Video sind zwei ELL 80 und eine EL 84 bei der Arbeit zu sehen. Die Glühbirnen haben 130 Volt, 20 mA. Es geht auch mit LED-Birnen oder -Strahlern mit entsprechendem Vorwiderstand.
Man statt 3 oder 5 jede größere, aber ungerade Zahl von Pentoden zusammenschalten. Hier noch ein paar ältere Videos, einfach klicken:

3-Röhren-Lauflicht

5-Röhren-Lauflicht

Noch ein 5-Röhren-Lauflicht

Hans Martins Bastelseiten 2016-2020