Hans Martins Bastelseiten

Wie schnell fährt das Licht auf meiner Spielzeugeisenbahn ?

Letzte Erstellung dieser Seite: 7.6.2020, Version 3

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Die Messung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Stroms entlang der Schienen meiner Spur-0-Blecheisenbahn

...war schon immer eine Herausforderung, die ich nun endlich gemeistert habe, und zwar mit Röhren.

Dieses Gleisoval aus Blechschienen hat einen Durchmesser von 1,2 und eine Länge von 1,8 m. Die Gleislänge beträgt 4,72 m. Ein Stromimpuls, den man an die Mittelschiene zwischen den beiden Außenschienen legt - letztere liegen auf Massepotential - sollte knapp 16 Nanosekunden für einen Umlauf benötigen. Licht und alle anderen Arten von elektromagnetischen Feldern breiten sich mit 300.000 km/s aus.

Erster Schritt, die Gleisarbeiten. Zuerst muß ich die fast 70 Jahre alten Blechgleise ohne Wackelkontakte zusammenstecken. Das ist leichter gesagt als getan. Ohmmeter, Zange und Schleifpapier tun Schwerstarbeit.

Dabei frage ich mich, wie groß eigentlich der Wellenwiderstand von Spielzeuggleisen ist. Den muss ich wegen der Anpassung der Leitungen in etwa wissen. "Der Wellenwiderstand Z einer Leitung ist die Quadratwurzel aus dem Verhältnis von Induktivität L' pro Meter und Kapazität C' pro Meter". So oder so ähnlich steht es im Küpfmüller:

Also Z = (L'/C')1/2. Dann ist da ein Bild auf S. 411 mit zwei Schienen im Abstand a und mit Durchmesser d, und auf der folgenden Seite ist angegeben, dass C' = 12,08 / log10(2a/d), in nF/km, sowie L' = 0,922 log10(2a/d) ind mH/km.

Mit der Schiebelehre finde ich d = 19 mm und a = 8 mm. Na ja, so rund wie auf der Abbildung im Küpfmüller sind die Schienenprofile einer Spielzeugeisenbahn eigentlich nicht. Egal, ich komme auf 188 Ω. Doch halt, sind es hier nicht drei Schienen statt zwei ? Zwei mal der Küpfmüllersche Leiterquerschnitt parallel. Also ist der Wellenwiderstand davon die Hälfte: Z = 94 Ω. So einfach ist das!

Die Messmethode: das Gleisoval wird an einer Stelle aufgetrennt. Eingang und Ausgang eines Rückkopplungsverstärkers sowie das Messinstrument, nämlich mein 2-Kanal-Digitaloszilloskop, werden hier angeschlossen.
Das obige Bild zeigt den Schaltplan der Verstärkers. Er nimmt ein Signal von einem Ende des unterbrochenen Schienenkreises auf und gibt es verstärkt an das andere Ende weiter. So entsteht ein periodisches Signal. Die Wellenlaufzeit bestimmt man am Schirm des Oszilloskops.
Dabei ist ganz besonders wichtig, dass die verschiedenen Ein- und Ausgänge sowie die Leitungen mit ihrem korrekten Wellenwiderstand abgeschlossen werden. Andernfalls hat man an den Verbindungspunkten Wellenreflexionen. Diese machen jede Laufzeitmessung hinfällig, weil die Impulse nicht mehr eindeutig zu erkennen sind.

Der fliegende Aufbau: Doppeltrioden vom Typ ECC 85 oder PCC 88 mit hoher Steilheit eignen sich hierfür besonders. Die Verbindungen müssen so kurz wie möglich gehalten werden, damit nicht die Eigeninduktivität der Leitungen das Signal verfälscht. Alle Massekontakte werden auf ein Blech oder auf ein Stück Kupferfolie gelötet. Die Verbindungen zum Oszilloskop werden mit BNC-Buchsen über zwei genau gleich lange 50-Ohm-Koaxial-Messleitungen hergestellt.

Die linke Triode Rö1 arbeitet hierbei als Vorverstärker in Gitterbasisschaltung. An Punkt "A" im Plan wird hier das Signal vom Gleis der Kathode zugeführt. Eine Triode hat in Gitterbasisschaltung eine Eingangsimpedanz Rin = 1 / S, wobei S ihre Steilheit ist. Bei der ECC 85 sind das 6 mA/V. Folglich ist Rin = 167 Ω. Dazu parallel liegt ein 390-Ω-Widerstand an der Kathode. Der Eingangswiderstand unseres Verstärkers ist also 110 Ω. Wir sind zumindest nicht ganz daneben, im Vergleich zu 94 Ω. Mit einer PCC 88 lägen wir sogar etwas günstiger.

Die zweite Triode Rö2 arbeitet in Anodenbasisschaltung. Sie wird von Rö1 über den HF-Trafo Tr angesteuert und schickt an Punkt "B" einen neuen Impuls auf den Weg um das Oval. Der Ausgangswiderstand einer solchen Schaltung ist gleich Rout = 1 / S. Also liegen wir auch hier wieder bei 110 Ω!

Die Messung läuft. Oszi, Netzgerät und Verstärker sind in Position. Ein paar Detailfotos:

Der HF-Trafo im Rückkopplungsverstärker mit dem verschiebbaren Ferritkern. Primär 20 und sekundär 10 Windungen aus PVC-isolierter Modelleisenbahner-Litze auf einem selbstgebastelten Holzrohr. Ein Ferritstab wird dort hineingeschoben, um die Induktivitäten zu verändern. Er wirkt als Frequenzfilter im Bereich zwischen 5 und 30 MHz und unterbindet wilde Schwingungen. Ich stelle ihn so ein, dass ein klares, gut ablesbares Signal entsteht.

Vor die Eingänge meines fast 20 Jahre alten Tektronix-Digitaloszilloskops TDS 220 habe ich diese grauen Leitungswiderstände von je 50 Ω eingesetzt. Sie bilden den Leitungsabschluss vor den eigentlichen Eingängen, die 1 MΩ Impedanz haben. Neuere Oszilloskoptypen brauchen das in der Regel nicht mehr. Man kann dort die Vorwiderstände per Tastendruck intern zuschalten.

Ein Ergebnis ist da. Oberes und unteres Oszilloramm sind Eingangs- und Ausgangsimpuls am Gleisoval, Punkt "B" bzw. "A" aus dem Plan. Die Zeitachse ist auf 10 ns/cm eingestellt. Vergleichen wir die Position der Spitzen beider Signale: sie sind zielmlich genau 10 Nanosekunden zeitverschoben. Das Signal verformt sich aber bei seinem Weg entlang der Blechgleise deutlich. Die Impulsspitze wird höher und schmaler. Betrachten wir die Knickpunkte, wo die Impulsflanken zu dem Impulsspitzen aufzusteigen beginnen, dann ist die gemessene Zeitdifferenz jedoch 15 ns. Geschwindigkeit ist Weg geteilt durch Zeit. Die Impulsspitzen bewegen sich mit 472.000 km/s, aber die Impulsflanken mit gerade einmal 307.000 km/s. Wie dem auch sei: immerhin liegen wir mit diesem Resultat schon mal in der korrekten Größenordnung.


Ein Fazit:


Natürlich habe ich auch Messungen an elektrischen Verlängerungskabeln, Installationskabeln, Auto-Starterkabeln und ähnlichem gemacht. Diese Messungen verliefen oft sehr uneindeutig. Die Impulse waren am Ende der Leitung stark verwaschen und oft kaum noch genau lokalisierbar. Dieser Effekt kommt vermutlich von der starken Dämpfung, welche die dort verwendeten Isolationsmaterialien der Ausbreitung hochfrequenter Wellen entgegenstellen. Solche Leitungen sind für 50 Hz gemacht. Im Bereich von vielen MHz sollen sie die Wellenausbreitung dagegen unterbinden. Das ist ja durchaus vernünftig, damit wir zu Hause nicht im Elektrosmog unserer Küchengeräte, Schaltnetzteile und Energiesparlampen ersticken.
Dagegen sind die Gleise einer alten Blecheisenbahn fast überall nur durch Luft voneinander isoliert, die praktisch keine Dämpfung hervorruft. Sie eignen sich für solche Versuche daher sehr viel besser. Es gibt also einen präzisen Grund, weshalb ich dieses Expriment mit Modelleisenbahn-Zubehör gemacht habe.
Übrigens, natürlich verkehrt auch ein Zug auf dem Gleisoval. Der aber läßt sich für die Runde sehr viel mehr Zeit als das Licht. Mehr dazu lesen Sie hier.