Hans Martins Bastelseiten

Die LokomoTute

oder

Wie man die junge Generation für Röhren begeistert

Die letzte Änderung: 6.11.2023

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Musik machen mit Modelleisenbahn -- und Röhren!

Puh, geschafft! Weihnachten ist um. Der nadelnde Weih­nachts­baum wartet schon auf die Müll­abfuhr, die Lichter­kette ist wieder ordent­lich aufge­rollt und ver­packt im Keller­schrank. Die Modell­eisen­bahn meines Neffen schlum­mert wieder in der Schach­tel. Zumin­dest, bis wir für das Schienen­oval, das wir um den Weih­nachts­baum aufgebaut hatten, eine dauer­haftere Lösung gefun­den haben. Mein Neffe hat über die Ferien stunden­lang mit der kleinen Lok und den zwei Güter­wagen gespielt und "Tut-tut" oder "Tsch-tsch-tsch" gerufen. Wir haben aus Karton kleine Häus­chen gefaltet und geklebt. Seine alten Cowboy-Figu­ren hat er von zu Hause mitge­bracht. Jesse James haben wir gespielt, den berüch­tigten Zug­räuber. Meine Rolle war meis­tens die des hilflos hinter den wilden, beute­bela­denen Reitern herschau­enden Mister Hariman von der Union Pacific. Mein Neffe will zu Hause auch so eine Röhren-Eisen­bahn-Musik-Outlaw Instal­lation haben.

Nur der graue Trans­formator, mit dem man die Loko­motive steuert, sträubt sich gegen das wieder­einge­packt werden. Ist halt ein ziemlich großes und sper­riges Ding. "Heute würde man das mit einem winzigen Schalt­netz­teil erledigen, nicht mehr mit so einem Klotz aus Blech und Kupfer". Mein Neffe kennt sich mit dem Thema aus. Er hat gerade seine Master­arbeit über den Zusam­menhang zwischen dem inter­natio­nalen Roh­stoff­handel - Bunt­metalle - und dem An­wachsen der Staats­verschul­dung in der Dritten Welt geschrie­ben. Hoch­inte­ressant! Auch eine Räuber­geschich­te.

"Dafür kann man mit einem Schalt­netz­teil nicht so schön musi­zieren wie mit so einem Trafo", war meine Ent­schul­digung, "Man braucht auch nur ganz wenig zusätz­liches Mate­rial, drei oder vier Teile. Haben wir alles in der Bastel­kiste."

Hier ist es, das Resultat:

Das Locomotute-Video

Darth Vader möge mir für die Verun­stal­tung seines musika­lischen Leit­motivs ver­zeihen.

Modelleisenbahntrafo und Elektronen­röhre sind ein ideales Paar für einen soge­nann­ten Sperr­schwinger-Oszil­lator, einen vari­ablen Tonge­nerator, mit dem sich einfache Melo­dien spielen lassen. Wir haben das Ding Loko­motute; getauft, da es offen­sichtlich eisen­bahn­techni­schen Bezug hat und irgendwie nach Blech­musik klingt.

Aufgebaut haben wir das dann mit meinem Elek­tronik-Bau­kasten­system: eine ECC 85 (die ich aus einem kaputten Röhren­radio gerettet habe, als ich so alt war wie mein Neffe), ein Wider­stand von 100 kΩ, ein Konden­sator mit etwa 18 nF (der genaue Wert ist nicht so wichtig), und ein Laut­sprecher. Ich verwende eine kleine Laut­sprecher­box im Wirt­schafts­wunder­zeit-Maha­gony-Look, die ein wohl schwer­höriger Groß­onkel von mir früher hinter seinem Lieb­lings­sessel als Zusatz­laut­sprecher an seine Röhren-Musik­truhe angeschlos­sen hatte. Die Schlager von damals sind aus dem Laut­sprecher längst ver­klungen. Nur der immer noch vorhan­dene muffig-beißende Geruch kalten Zigar­ren­rauchs ent­strömt dem Gehäuse noch immer, wenn man die Nase dicht dranhält.

Hier unser fliegender Aufbau auf dem Bastel­tisch. Die Primär­seite des Trafos, d.h. die Kon­takte des Netz­steckers, werden mit Hilfe von Kro­kodil­klemmen mit der Anode eines der beiden Trioden­systeme ver­bunden, die eine ECC 81 oder 85 enthält, sowie mit dem Plus­pol der Ano­den­span­nungs­quelle. Der 16-Volt-Licht­aus­gang (An­schluß­klem­men 0 und L auf der Rück­seite des Trafo) dient als Rück­koppel­spule. Der Laut­sprecher wird an die Fahr­span­nung ange­schlos­sen, zwischen B und 0. Der Minus­pol der Anoden­span­nung sowie die Ka­thode hängen eben­falls an der 0-Klemme, wie im Schalt­plan ange­geben.

Wichtig: es muss unbedingt ein Fahr­trafo sein, der einen Wechsel­strom­ausgang hat. Manche Modell­eisen­bahnen laufen mit Gleich­strom. Da ist dann im Trafo ein Gleich­richter drin. Damit funk­tioniert der Tonge­nerator nicht.

Unser Schaltplan, ganz einfach und unver­wüst­lich: ein Sperr­schwinger. Der Trafo sorgt für die Rück­kopp­lung der Schwing­ungen von der Anode auf das Gitter der Röhre. Falls der Ton­gene­rator nicht anschwingen sollte, wird es an der Polung des Trafos liegen. Dann einfach die Verbin­dungen zum Netz­stecker ver­tauschen. Nicht vergessen: die Röhre braucht auch eine Heiz­spannung! Statt der ECC 85 geht wohl jede andere steile Triode: eine ECC 81, eine EC 92, eine PC 86 oder 88.

Wenn man den Fahrtregler aus der Null­stellung auf­dreht, ertönt aus dem Laut­sprecher ein Ton. Der Ton wird um so höher, je weiter man den Fahrt­regler hoch­dreht. Der Tonum­fang entspricht etwa einer Oktave.

Warum nimmt die Tonhöhe zu, wenn man den Regler hoch­dreht ? Ganz einfach: die Sekun­därwick­lung, die über den 18-nF-Konden­sator das Röhren­gitter speist, wird durch den nieder­ohmigen Laut­sprecher belastet, und zwar um so stärker, je weiter der Regler aufge­dreht ist. Dadurch wird der negative Spannungs­impuls, der den Konden­sator aufläd und dabei die Röhre sperrt, nicht so hoch. Der Konden­sator endläd sich dann schneller bis zu dem Punkt, wo die Röhre wird wieder leitend wird und ein neuer Lade­zyklus beginnen kann. Die Ton­höhe steigt also an.

Die Anodenspannung an der Triode. Hier sieht man, dass die Anodenspannung ungefähr alle 6,5 ms schlagartig in die Höhe schnellt (weil eben die Röhre plötzlich sperrt), um dann langsam wieder abzusinken (der Anodenstrom steigt dann wieder an). Die vertikale Skala ist 50 V pro Teilung. So entstehen die typischen sägezahnförmigen Schwingungen. In der linken Stellung des Fartreglers liegt die Frequenz bei etwa 170 Hz. Das entspricht ungefähr einem tiefen "G" am Klavier.

Hier die Anodenspannung bei voll aufgedrehtem Regler, es sind nunmehr 344 Hz. Ungefähr das "g" eine Oktave über dem tiefen "G". Durch die entsprechende Stellung des Fahrtreglers lassen sich alle 12 Halbtonintervalle der harmonischen Tonleiter einstellen: g - gis - a - b - h und so weiter. Das ist in der Tabelle unten aufgelistet.

Die Töne haben viele Oberwellen und klingen tatsächlich wie aus einer Trompete. Zugegeben, als ob da jemand Watte hineingestopft hat.

Hier die Doppeltriode vom Typ ECC 85 in ihrer Fas­sung auf dem Steck­brett. Tapfer hält die Röhre die Ehre der vorigen Gene­ration von Radio­bastlern auch vor dem kriti­schen Auge und Ohr der Internet­gene­ration hoch. Auch wenn die Doppel­triode frequenz­mäßig stark unter­fordert ist, denn eigent­lich ist sie im UKW-Bereich zu Hause.

Ton

Fahrstufe

Frequenz

gis

250

408 Hz

g

240

397 Hz

fis

230

384 Hz

f

220

348 Hz

e

205

320 Hz

dis

200

308 Hz

d

192

293 Hz

cis

180

282 Hz

c

165

267 Hz

h

152

254 Hz

b

140

239 Hz

A

120

224 Hz

Gis

100

212 Hz

G

50

202 Hz

Fazit: ein interessantes, wenn auch gewöh­nungs­bedürf­tiges Musik­instru­ment. Zum spielen hat es sich bewährt, wenn man mit einer Hand den Fahrt­regler des Trafos bedient und mit der anderen einen Kontakt schließt, der den Laut­sprecher mit dem Trafo­ausgang verbindet. Die Position der Töne markiert man sich am Besten mit einem Filzs­tift auf dem Trafo­gehäuse.

Obwohl nur eine relativ kleine Triode am Werk ist, ist die Laut­stärke des Ton­gene­rators für normale Wohn­zimmer­verhält­nisse voll­kommen aus­reichend

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Die Tabelle gibt an, zu welcher Fahrstufe die Halbtöne gehören, sowie die jeweilige Grund­frequenz. Ich habe den Gene­rator mit Hilfe meiner Flöte gestimmt und die Fre­quenz am Oszi abgelesen.

Vor dem Spielen sollte man wie bei jedem Musik­instru­ment die Stim­mung, bzw. den "Pitch" des Ton­gene­rators korri­gieren. Die kann einfach mittels der Betriebs­span­nung geschehen, die man zwischen etwa 160 und 200 V wählen kann. Das ist besonders einfach, wenn man zur Strom­versorgung dieses Netz­gerät verwendet.